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Aktien-Analyse für Arme: Unterbewertung anhand der Dividendenrendite erkennen

Auf Facebook und anderswo begegnen mir derzeit vermehrt „Analysen“, die aus der Höhe der Dividendenrendite eine mögliche Unterbewertung von Aktien ableiten. Der grundlegende Gedanke ist, dass Aktien mit einer historisch hohen Dividendenrendite tendenziell günstig bewertet seien.

Analyse der Dividendenrendite am Beispiel von IBM

Damit Sie eine bessere Vorstellung bekommen, habe ich für IBM eine solche Analyse erstellt:

Man sieht, dass ein rückläufiger Kurs die Dividendenrendite steigen lässt und umgekehrt ein steigender Kurs zu einer sinkenden Dividendenrendite führt. Als der Kurs von IBM während der Finanzkrise auf rund 80 Dollar nachgab, stieg die Dividendenrendite entsprechend. Eine weitere Kaufgelegenheit ergab sich 2016, als die Dividendenrendite Spitze knapp 4,7 Prozent erreichte.

So einleuchtend die Strategie „Bei hoher Dividendenrendite kaufen“ auf den ersten Blick erscheint, so gravierend sind auf den zweiten Blick ihre Mängel.

Warum Kurse fallen

Die Dividendenrendite als Indikator für Kauf (und eventuell auch Verkauf) wird im Wesentlichen von der Kursentwicklung bestimmt. Kurse sind kein Zufallsprodukt. Sinkende Kurse drücken sinkende Erwartungen des Marktes bezüglich der Gewinnentwicklung eines Unternehmens aus. Diese Erwartung kann ihre Ursache in der allgemeinen Marktstimmung haben. Ein Crash wäre eine extrem negative, alle Unternehmen betreffende Marktstimmung. Die negative Marktstimmung kann sich aber auch explizit auf eine Branche oder ein einzelnes Unternehmen beziehen, beispielsweise dann, wenn die veröffentlichten Zahlen eines Unternehmens wiederholt enttäuschen.

Eine Analyse, die lediglich auf Kursen und Dividenden beruht, kann jedoch nicht differenzieren, ob eine hohe Dividendenrendite ihre Ursachen in der allgemeinen Marktstimmung hat, branchen-, bzw. unternehmensspezifisch ist oder eine Mischform. Ein Kauf auf Basis lediglich der Dividendenrendite ist deshalb Glückssache.

Die Trägheit der Dividende

Ein Unternehmen wegen der Dividendenrendite zu kaufen, kann ein Griff ins fallende Messer sein. Verschärft wird die Problematik durch die Trägheit der Dividende. Viele Unternehmen, nicht nur aus dem amerikanischen Raum, halten die Dividende aufrecht, solange es geht. Ein Beispiel hierfür ist der kriselnde Spielwarenhersteller Mattel:

Der Gewinn von Mattel ist seit 2014 stark rückläufig. Dennoch wurden 2014, 2015 und 2016 eine konstant hohe Dividende bezahlt. Weil der Kurs entsprechend der Zweifel des Marktes an den Gewinnaussichten sank, erklomm die Dividendenrendite neue Höhen:

An der Spitze erzielt Mattel eine Dividendenrendite von 8,32 Prozent.

Nun wird nicht jedes Unternehmen mit einer hohen Dividendenrendite von einer Krise heimgesucht. Doch ist problematisch, dass über die Dividendenrendite als Kaufindikator die Krisenunternehmen wegen der gefallenen Kurse über eine solche Analyse automatisch auf der Liste der Kaufkandidaten erscheinen.

Krisenunternehmen als vermeintliche Schnäppchen kommen öfter vor als man denkt. Hier eine kleine Liste bekannter Unternehmen mit hoher Dividendenrendite, die jedoch alle in einer mehr oder minder schweren Krise stecken und einen entsprechenden Kursrückgang verkraften mussten:

  • Occidental Petroleum
  • Apache
  • Mattel
  • General Electric
  • Exxon Mobil
  • IBM
  • General Mills
  • Target
  • L Brands

Was letztlich passieren kann, wenn man die Aktie eines Krisenunternehmens aufgrund der hohen Dividendenrendite kauft, zeigt Telefonica:

2011 erreichte die Dividendenrendite Spitze über 9 Prozent. Es wurde eine üppige Dividende bezahlt, obwohl die Gewinne bereits rückläufig waren und der Markt seinen Zweifeln über sinkende Kurse Ausdruck verlieh. Ein Jahr später erfolgte dann die Kürzung der Dividende.

Gewinnbasiere Kennzahlen als Lösung

Die Dividende als Maßstab für eine Unterbewertung heranzuziehen, funktioniert nicht. Stattdessen muss sich der Investor an jene Größe halten, die sowohl den Kurs als langfristig gesehen auch die Entwicklung der Dividende bestimmt: den Gewinn.

Aktien, die auf Basis der Dividendenrendite als Schnäppchen erscheinen, sehen anhand von Kennzahlen, die den Gewinn verarbeiten, plötzlich nicht mehr wie ein Schnäppchen aus.

Nehmen wir als Beispiel erneut Mattel:

Laut Dividendenrendite war 2015 ein hervorragendes Jahr für einen Kauf. Blickt man hingegen auf das 1-Jahres-KGV und vergleicht dieses mit dem dazugehörigen 10-Jahres-KGV, so fällt auf, dass die Aktie schon ab 2014 teuer wurde. Kein Wunder, schließlich ging der Gewinn ab 2014 zurück. Zum gleichen Ergebnis kommen die Berechnungen des fairen Werts (3). Ab 2014 fallen die gewinnbasierten Fair Values (grüne und rote Linien). Den Fair Value basierend auf dem operativen Cash Flow zieht es mit leichtem Versatz von einem Jahr ebenfalls nach unten.

Die bittere Wahrheit über Dividendenrendite-Analysen

Bleibt die Frage, warum sich Dividendenrendite-Analysen einer so hohen Beliebtheit erfreuen. Ich vermute zwei Gründe. Zum einen übt eine hohe Dividendenrendite - insbesondere in Zeiten von Niedrigzinsen – eine gewisse Anziehungskraft aus. Der zweite Grund ist technischer Natur: die Dividendenrendite-Analysten können es schlicht und einfach nicht anders. Das beginnt damit, dass deren Datenquellen ausschließlich auf Yahoo Finance beruhen. Und dort gibt es eben nur historische Kurse und Dividenden. Würde Yahoo Finance morgen historische Gewinne und Cash-Flows anbieten. Sie glauben gar nicht, wie schnell neue Analyse-Tools aus dem Boden sprießen würden. Die würden dann aber weiterhin auf Excel basieren, wo wir bei einer weiteren Limitierung sind. In Excel lässt sich kein Aktienscreener mit Detailanalyse bauen. Das notwendige Datenvolumen sowie die Komplexität der Berechnungen für eigene Kennzahlen machen eine echte Datenbank notwendig. Hierfür ist jedoch technisches Spezialwissen erforderlich.

Fazit

Seien sie skeptisch, wenn Ihnen Analysen begegnen, die auf der Dividendenrendite basieren. Deren Aussagekraft ist ohne nachgelagerte Ursachenforschung gleich Null. Bestenfalls kann man solche Analysen als Stückwerk betrachten. Orientieren Sie sich stattdessen an der Entwicklung des Gewinns, der sowohl für Kursgewinne als auch steigende Dividenden verantwortlich ist.

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Kommentar von Thomas von Divdepot |

Sehr gut beschrieben. Eine Dividende sollte immer von steigenden Erträgen begleitet werden. Optimal ist natürlich wenn diese aus dem freien Cash Flow bezahlt werden kann.

Antwort von Torsten

Alles korrekt. Ich halte es auch für sinnvoll, die Dividende auf den Free Cash Flow zu beziehen. Im Aktienfinder zeige ich deshalb auch die Ausschüttungsquote im Verhältnis zum Free-Cash-Flow zusätzlich an.

Gruß,

Torsten