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Meine Optionen: Von Waterloo nach El Dorado?
Im September letzten Jahres passierte mir nach sechs Monaten, was irgendwann den meisten Optionshändlern passiert: ich erzielte einen großen Verlust (neudeutsch „Drawdown“). Wie stets im Leben gibt es nach einem Tiefschlag zwei Möglichkeiten: aufgeben oder weitermachen. Ich hatte mich für das Weitermachen entschieden.
Nun sind weitere sechs Monate vergangen. Wobei die letzten zwei Monate vielen Optionshändlern herbe Verluste bescherten. In den Optionsgruppen auf Facebook werden Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Optionshandels laut und auf YouTube sind Coaches wie Jens Rabe bemüht, Balsam auf die Seelen geschundener Optionshändler zu reiben.
Da schätze ich mich glücklich, dass ich bisher nicht nur ohne Verluste durch diese schwere Zeit gekommen bin, sondern für meine Verhältnisse auch noch anständige Gewinne machte.

Der aktuelle Stand bisher. Enthalten sind auch Optionen, die den nicht öffentlichen Teil meines Depots betreffen. Deshalb sind die Zahlen in der Regel etwas höher als in den monatlichen Depotupdates. (Fast) alle meine Optionen sind hier einsehbar.
Von Irrungen und Wirrungen
Es gibt so viele Strategien im Optionshandel Geld zu verdienen, dass man um das Ausprobieren nicht herumkommt. Es liegt in der Natur der Sache, dass man insbesondere während dieser Findungsphasen auch Geld verliert.
Teil 1: Die Idee vom Covered Call
Als ich mit dem Optionshandel anfing, hatte ich vor allem Covered Calls im Sinn. Ich wollte mir zu den Dividenden durch den Verkauf auf Optionen auf meine eigenen Aktien zusätzliches Geld verdienen. Todsichere Sache, denn man kann kein Geld verlieren. Lediglich der maximale Gewinn ist begrenzt. Dachte ich und fuhr nach wenigen Wochen Verluste ein. Das Problem: im steigenden Markt hatte ich Covered Calls auf Aktien geschrieben, von denen ich mich nicht trennen wollte und kaufte die Optionen schließlich teuer zurück. An Rollen habe ich laut meiner Erinnerung gar nicht gedacht.
Teil 2: Der Versicherungsverkauf
So besann ich mich auf das eigentliche Wesen der Option: die Prämie im Sinne einer Versicherung. Also verkaufte ich zunehmend auch Short Puts auf alle möglichen Aktien, deren Prämie in den mageren Zeiten niedriger Volatilität attraktiv erschien. Der Aufwand war nun wesentlich höher als zuvor, denn es galt stets aufs Neue lukrative Aktien zu finden und die bestehenden Optionen im Auge zu behalten. Doch ich wurde für die Mühen entlohnt und erzielte im Juli letzten Jahres immerhin einen vierstelligen Ertrag. Bis mir im September mit Equifax eine der Versicherungen explodierte und mir einen herben Monatsverlust bescherte.
Es passierte, was so vielen Optionshändlern in letzter Zeit passierte. Das mühsam verdiente Geld der letzten Monate ist mit einem Schlag futsch. Auch wenn die anderen Monate im Sommer und Herbst positiv waren, so gab es zwischendurch immer wieder Verlusttrades, die einen Großteil der Gewinne aufzehrten.
Kurzum: der Aufwand an Zeit und Nerven schien das Ergebnis nicht Wert.
Teil 3: Die Besinnung
Im November letzten Jahres fasste ich den Entschluss, mich bis auf Weiteres aus dem Optionshandel zurückzuziehen. Die Kombination aus fundamentaler Überbewertung und niedriger Volatilität schien mir zu gefährlich für den Verkauf weiterer Short Puts zu sein. Im Dezember verkaufte ich ein paar überbewertete Aktien und wartete auf den Knall.
Teil 4: Der Knall
Es kam, wie es irgendwann kommen musste. Anfang Februar brachen die Kurse ein und unzählige Optionsverkäufer krachten mit Vollgas gegen die Wand. Nun fing ich wieder an Optionen zu verkaufen. In überschaubarem Volumen und sehr weit aus dem Geld, da Dank der hohen Volatilität auch hier noch nennenswerte Prämie zu erzielen war und ich das Risiko scheute. Die medialen Schockwellen prasselten von allen Seiten auf einen herein.
Im Prinzip war es derselbe Versicherungsverkauf wie zuvor. Allerdings schrieb ich zunehmend Puts auf den S&P 500 über einen ETF (Symbol SPY). Dieser ETF ersparte mir zum einen die Suche nach Einzelaktien und minimierte zudem das Risiko extremer Kursschwankungen, welches bei Einzelaktien gegeben ist. Die Kehrseite ist eine niedrigere Prämie im Vergleich zu einzelnen hochvolatilen Aktien.
Zudem bemerkte ich, dass bei extremen Kursschwankungen in beide Richtungen ein frühzeitiger Rückkauf schon bei 50 % im Gewinn von Vorteil ist. Nachdem das Gröbste überstanden war, bemerkte ich zudem, dass ich bei den günstigen Kursen wegen fehlender Ausübung nicht zum Zug gekommen war.
Im Februar gingen die Kursturbulenzen in die zweite Runde. Nun verkaufte ich Short Puts schwerpunktmäßig entweder auf den S&P 500 oder einzelne wenige Aktie, die in Ungnade gefallen waren. Facebook allen anderen voran. Aktien wie Apple kaufte ich nun direkt ohne Umweg über eine Option. Durch den Rückkauf bei ca. 50 % Restwert konnte ich durchschnittliche Haltedauer einer Option von 11 auf 5 Tage verkürzen. Die bereits geschlossenen Optionen im April haben eine durchschnittliche Haltedauer von sage und schreibe lediglich einem Tag. Bei einigen Trades entschloss ich mich zu Rollen, wodurch der entstandene Verlust minimiert werden konnte.
Bezogen auf meine Depotgröße ist der erzielte Gewinn überschaubar. Der langsame Einstieg in den fallenden Markt ist der Vorsicht geschuldet. Sollten die Kurse einmal weiter einbrechen als zuvor, habe ich genügend Luft zum Rollen, kann je nach Lage sogar die Anzahl der Kontrakte erhöhen oder mich gezielt ausüben lassen.
Durch Verzicht auf feste Gewinngrößen wie zwei Prozent Rendite im Monat und die Fokussierung auf den S&P 500 beim Optionsverkauf verlief der Handel auch in heißen Phasen recht entspannt. Als es an der Börse knallte, durchlief mich ein wohliger Schauer und kam ich mir gut unterhalten wie im Kino vor.
Der Weisheit letzter Schluss…
… wird wohl nie gefunden. Doch momentan ist das Verhältnis von Aufwand und Ertrag für mich zufriedenstellend. Sollten sich die Wogen wieder glätten und die Volatilität erneut in Lethargie verfallen, stelle ich das Schreiben von Put-Optionen wieder ein. Den Verkauf von Covered Calls werde ich in erster Linie von der fundamentalen Überbewertung abhängig machen. Es hat etwas gedauert, sich als Buy-And-Hold Anleger an den Verkauf überbewerteter Aktien zu gewöhnen, doch die vergangenen Monate haben gezeigt, dass hier Potential vorhanden ist, das ich bisher nicht hinreichend ausgeschöpft habe. Zudem steht das Aufsetzen komplexer Trades weiterhin nicht auf meinem Programm.
Natürlich lässt sich trotz allem nicht ausschließen, dass es mich irgendwann doch wieder erwischt. Doch bis dahin möchte ich noch viele Monate mit einem positiven Ergebnis abschließen und das möglichst entspannt. In diesem Sinne wünsche ich allen Optionshändlern hohe Prämien und viel Erfolg!
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Kommentar von Peter |
Hallo Thorsten,
Darf ich dich fragen, bei welchem Broker du bist? CapTrader oder direkt bei IB?
Ich verkaufe nämlich auch Optionen auf den SPY und mir ist CapTrader auf Dauer etwas zu teuer.
Wenn du direkt bei IB bist, was zahlst du für einen Trade mit dem SPY?
Danke und Grüße,
Peter
Antwort von Torsten
Hallo Peter,
ich bin bei Lynx, einem der Proxy-Broker von IB. Entsprechend bezahle ich auch etwas höhere Gebühren. Hier habe ich was dazu geschrieben:
https://wachstumswerte.net/ihr-broker.html
Bei meinen Einnahmen sind die Gebühren übrigens schon abgezogen (aber vor Steuern).
Lieben Gruß!
Kommentar von Robert |
Hallo Thorsten,
und auch an alle anderen, die sich gerne mit Optionen beschäftigen bzw dies vorhaben...wenn man diesbezüglich Hilfe oder Informationen möchte, kann ich nur die Web Seite von Tasty Trade empfehlen...hier wird einem geholfen! Voraussetzung...sie sprechen, besser noch verstehen, Englisch...zumindest lesen sollte man es können, jeden Tag werden diejenigen, die die Sprache wenigstens leidlich beherrschen über die Fülle von Informationen überrascht sein, die man hier zum Null Tarif erhält....und tausende von Videos auf YouTube, die einem wirklich keine Fragen mehr offen lassen....einziger Nachteil, man muss Zeit investieren, aber von nix kommt auch nix, außer Verluste!
Grüße und viel Erfolg
Antwort von Torsten
Hallo Robert,
danke für den Hinweis. Soweit ich weiß, sind Tasty Trade die Nr. 1 bei Optionen im englisch-sprachigen Raum. Ich habe dort auch schon das ein oder andere Video geschaut. Mit Optionsstrategien und Optionsuniversum gibt es aber auch im deutschsprachigen Raum gute Alternativen. Letztlich kommt man aber nicht darum herum, selbst Erfahrungen zu sammeln und auszuprobieren. Und in dieser Phase wird man auch Verluste einfahren, von denen man rückblickend sagen wird, dass sie unnötig waren.
Lieben Gruß!