Blog

Sind die Zahlen falsch?

Ich habe es letzten Monat in diesem Blogbeitrag bereits angesprochen: die US-Steuerreform lässt die Gewinne vieler Konzerne für 2017 Kapriolen schlagen. Noch nie war es so riskant, sich bei der Entscheidung für oder gegen eine Aktie auf den bilanzierten Gewinn zu verlassen, wie heute. Um Anlegern aus der Bredouille zu helfen, gibt es im Aktienfinder nun ein weiteres Hilfsmittel.

Margen und Bereinigung

Im Regelfall treten die relevanten Anpassungen außerhalb des operativen Geschäfts auf. Betrachtet man die Margen, heißt dies, dass die operative Marge noch unberührt ist, die für gewöhnlich unter der operativen Marge verlaufende Nettomarge jedoch plötzlich ausschlägt – in welche Richtung auch immer.

Ein solcher Ausschlag ist ein starkes Indiz für einen bedeutsamen und außergewöhnlichen Vorfall, der den offiziellen Gewinn verzerrt. Anhand folgendem Beispiel wird dies klarer:

Altria: Unbereinigter und bereinigter Gewinn im Vergleich inklusive Margen

Bei Altria führte der Verkauf von SABMiller im Jahr 2016 und Steuereinsparungen im Jahr 2017 gleich zwei Mal in Folge zu einem stark verzerrten Gewinn (1). Zugleich sieht man schön, wie die Kurve der Nettomarge parallel zu den springenden Gewinnen nach oben zieht (2). Ein starkes Indiz, dass außerordentliche Einflüsse den bilanzierten Gewinn massiv verzerren.

Da im Aktienfinder die beiden Charts nebeneinander angezeigt werden, ist eine Sichtprüfung auf Verzerrung des Gewinns leicht durchzuführen. Hat man eine Verzerrung identifiziert, weiß man jedoch nicht, welchen Einfluss diese nun auf den Gewinn pro Aktie und die darauf berechneten Kennzahlen hat. Aus diesem Grund wurde der Aktienfinder so erweitert, dass Bereinigungen des Gewinns durchgeführt werden können (3).

Nicht nur werden im Zuge der Bereinigung die Zahlen angepasst, sondern es wird zusätzlich:

  • Über ein Symbol angezeigt, dass eine Bereinigung stattgefunden hat
  • Im Tooltip angezeigt, welche Ursache zu der Verzerrung führte
  • Im Tooltip angezeigt, wie hoch der Betrag ist, um den bereinigt wurde
Es lebe die Transparenz: im Tooltip sind die Details der Anpassung zu sehen

Damit ist eine möglichst hohe Transparenz der Zahlen gewährleistet. Gibt es keine Bereinigung, so sind die Zahlen die der offiziellen Rechnungslegung. Andernfalls kann man nachlesen, wo die Unterschiede sind. Eine Ausnahme hiervon sind Kapitalmaßnahmen wie Aktiensplits oder Spin-Offs, wo keine explizite Bereinigung angegeben wird. Dies ist z.B. auch bei Altria der Fall, wo Gewinne und Cash-Flows bis einschließlich 2005 wegen eines Splitt-Offs nach unten angepasst wurden.

Für 305 im Aktienfinder enthaltene US-Unternehmen wurden insgesamt 144 Bereinigungen durchgeführt. Dies Meisten davon stehen im Zusammenhang mit der US-Steuerreform. Ziel ist, die großen Verzerrungen, die zu einer Fehlentscheidung führen können, zu korrigieren. In der Wirtschaftsprüfung nennt man dies ein Vorgehen nach Wesentlichkeit. D.h. kleinere Abweichungen sind zulässig, sofern sie das Bild nicht so weit verfälschen, dass es die Kauf- oder Verkaufsentscheidung negativ beeinflussen kann.

Bereinigte US-GAAP Zahlen

Noch ein Wort zu den vom Management des jeweiligen Unternehmens „bereinigten“ Zahlen. Bei der Durchsicht der Earning-Reports blieb der Verdacht erhalten, dass das Management teilweise die Zahlen beschönigt. Restrukturierungskosten, Vergütungen in Form von Aktien, Abschreibungen, Übergangskosten beim Vorstandswechsel und mehr werden aus den Ergebnissen herausgerechnet. Möglicherweise haben wir es hier mit einem sich selbst beschleunigenden „Kreislauf der Bereinigung“ aus Managementsicht zu tun. Wenn der Konkurrent bereinigt, sollte man das Gleiche, möglichst noch etwas besser, tun. Wenn der Amtsvorgänger mit Hilfe der Bereinigung die Messlatte gesetzt hat, sollte man möglichst das Gleiche noch etwas besser tun, um nicht schlechter dazustehen. Ein fundiertes Urteil können sich jedoch nur Experten erlauben.

Und was machen die großen Finanzseiten?

Sie schweigen das Thema tot. Denn gäbe es hier ein Problembewusstsein auf breiter Front, müsste entweder eine Lösung gefunden werden oder die Besucher würden sich nach einer anderen Informationsquelle umsehen. Die erste Lösung wäre, falls machbar, mit erheblichen Kosten verbunden und die zweite Alternative würde zu einem Besucherschwund und sinkenden Werbeeinnahmen führen.

Wie geht es weiter?

Ich für meinen Teil bin gespannt, wie die Entwicklung weiter geht und wäre froh, wenn die US-Steuerreform das einzige Großereignis bleibt, dass die offiziell bilanzierten Gewinne durcheinanderwirbelt. So wirklich Spaß hat das Durchsuchen der SEC-Berichte nämlich nicht gemacht.

P.S.: Wer meint, im Aktienfinder eine wesentliche Verzerrung gefunden zu haben, darf sich gerne bei mir melden!

Zurück zum Blog

Einen Kommentar schreiben