Blog

Sind Sie schlauer als der Markt?

Behalten Sie die Antwort gerne für sich, denn sie spielt keine Rolle. Als Aktieninvestor müssen Sie nicht schlauer sein als der Markt. Um erfolgreicher als der Durchschnitt zu sein, reicht es aus, die Fehler der Masse zu vermeiden. Und das wiederum geht am einfachsten, wenn man sich an ein wichtiges Motto hält:

Qualität kaufen und Ruhe bewahren.

Eigentlich simpel. Doch warum hält sich der Durchschnittsanleger so selten daran? Die Antwort hat mit der menschlichen Natur zu tun. Warum kaufen Anleger Optionsscheine? Warum wird Lotto gespielt? Warum Pillen zur Gewichtsreduzierung oder für den Muskelaufbau geschluckt?

Weil es in der Natur des Menschen liegt, den schnellen Erfolg mit wenig Anstrengung zu suchen. Evolutionstechnisch betrachtet, macht das Sinn. Eine Planung über Jahre hinaus war in der Steinzeit eher unangebracht. Der schnelle Erfolg hatte mit dem eigenen Überleben zu tun. Und in diesen Bahnen denken wir bis heute.

Doch bei Aktien ist Qualität ohne Zeit wertlos. Denn erst mit der Zeit entfaltet sich Qualität über Marktschwankungen hinweg in Form steigender Gewinne, Dividenden und Kurse. Kurzfristig hingegen erzielt Qualität keinen Mehrertrag, da sie denselben unvorhersehbaren Marktschwankungen unterliegt wie alle anderen Aktien auch.

Was ist Qualität?

Eine einfache Möglichkeit, Qualitätsaktien zu finden, ist der Blick in die Vergangenheit. Wie haben sich Gewinne und Cash-Flows des Unternehmens mit Blick auf das letzte Jahrzehnt und länger entwickelt?  Eine möglichst konstante Steigerung ist einer Zick-Zack-Kurve mit negativer Tendenz vorzuziehen.

Billig vor Qualität

Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb die Qualität oft auf der Strecke bleibt. Dieser hat mit der vorherrschenden Verwendung von Kennzahlen zu tun. Eine hohe Dividendenrendite und ein niedriges KGV weisen oberflächlich betrachtet auf ein Schnäppchen hin, sind in der Regel jedoch typisch für Aktien mit unterdurchschnittlicher Gewinnentwicklung. Eine hohe Dividendenrendite und ein niedriges KGV sind meist als Misstrauensvotum des Marktes zu verstehen. Die hohe Dividende ist der Preis, den das Unternehmen zu bezahlen hat, damit die Aktie überhaupt gekauft wird. Das niedrige KGV sagt aus, dass der Markt nicht an ein künftiges Gewinnwachstum glaubt.

Handelsüblichen Aktienscreener arbeiten bevorzugt mit dem KGV und der Dividendenrendite. Diese Kennzahlen sind beliebt, omnipräsent und deshalb einfach zu bekommen.  Aufwändiger hingegen ist es, die Qualität des Gewinnwachstums über einen gewissen Zeitraum in Kennzahlen sichtbar zu machen. Hierfür bedarf es mehr Datenmaterial sowie – je nach Methode – Algorithmen, welche über die vier Grundrechenarten hinausgehen. Wie ein solches Verfahren aussehen kann, erfahren Sie in dem weiterführenden Artikel Ihre zwei wichtigsten Kennzahlen.

Fazit

Fallen Sie nicht auf vermeintlich billige Aktien herein. Qualität hat zwar ihren Preis, doch langfristig fahren Sie damit deutlich besser.

Zurück zum Blog

Einen Kommentar schreiben

Kommentar von ZaVodou |

Hallo Torsten,

Du schreibst: Qualität hat seinen Preis. Da gehe ich noch mit. Dein letzter Kauf Tencent hatte jedoch ein KGV von 54.
Die Korrelation mit 0,91 und das EPS-Wachstum der letzten 10 Jahre liegt bei 43 %. Das sind phantastische Werte für die Vergangenheit. Das Fair-Value KGV liegt aber 50 % über dem dem Fair-Value KGV der letzten 10 Jahre.
Klassiker wie Peter Lynch warnen vor KGVs von über 20. Auch für Wachstumsunternehmen.
Warum meinst Du trotzdem keinen zu hohen Preis für Tencent gezahlt zu haben? Gibt es da keine Grenze für Dich?

Gruß
ZaVodou

Antwort von Torsten

Hallo Zavodou,

Tencent wächst in den Kaufpreis hinein. Wie schnell, kann man an der Prognose des operativen Cash-Flows für das laufende Geschäftsjahr sehen. Im Aktienfinder liegt der 10-Jahres-Schnitt bei ca. 23 gegenüber knapp 25 für das laufende GJ. Das ist in naher Zukunft nur noch eine relativ leichte Überbewertung. Für die letzten 12 Monate liegt das Ratio noch bei 32.

Ich vermute, dass Lynch die erweiterte FAANG-Gemeinde nicht vor Augen hatte, als er vor KGVs über 20 warnte. Abgesehen davon, dass eine Bewertung auf Grundlage des KGVs, bzw. des Gewinns, teilweise keinen Sinne macht. Über die Bewertung von Amazon habe ich in meinem Blog hierzu einen Artikel geschrieben.

In der Praxis kommt hinzu, dass Kaufverweigerung wegen "zu teuer" faktisch dazu führt, dass man den Kurssteigerungen hinterher schaut. Das Depot hat dann unweigerlich eine Underperformance. Es ist für langfristig ausgerichtete Investoren kaum machbar, ohne die erweiterte FAANG-Gemeinde im Depot die Performance anderweitig reinzuholen. In diesem Sinne kaufe ich mir im Gedanken an Cover-Average einige dieser Unternehmen in Tranchen. Natürlich hoffe auch ich auf Rücksetzer. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass das Warten auf niedrige Kurse eine schlechte Strategie war.

Gruß!

Torsten

Kommentar von ZaVodou |

Danke für Deine Antwort, Torsten.

1. Du schaust also wie schnell eine Aktie in einen Kurs hineinwachsen kann und verwendest statt des Gewinns den OCF?
Wie schnell muss sie hineinwachsen? In den nächsten drei Monaten würde es Tencent nicht ganz schaffen, aber vielleicht in den nächsten sechs?
Stellst Du solche Rechnungen an bzw. wann wäre auch Dir eine Wachstumsaktie - um diese geht es Dir ja hauptsächlich - zu teuer?

2. zu Lynch: Lynch hatte bestimmt nicht die FAANG-Aktien vor Augen, aber die Nifty-Fiftys. Da sehe ich Parallelen.

Ciao
ZaVodou

Antwort von Torsten

Hallo ZaVodou,

1. Bei Amazon definitiv. Tencent ist ist in dieser Beziehung reifer und schüttet schon seit Jahren steigende Dividenden aus, braucht noch immer weniger als drei Jahre, um seinen Umsatz zu verdoppeln. Ähnlich wie bei Amazon ziehe ich auch bei Tencent den operativen Cash-Flow dem Gewinn vor, weil ähnlich wie bei Amazon aus unternehmenspolitischen Gründen viel in weiteres Wachstum investiert wird,was den Gewinn reduziert. Letztlich könnte man bei Tencent aber bereits den Gewinn nehmen. Hier würde es vermutlich ein, zwei Jahre länger dauern, bis "der" Faire Wert so hoch ist wieder damalige Kaufkurs.

Es spielt für mich als langfristig denkender Investor eine untergeordnete Rolle, ob die Tencent ein Jahr früher oder später den Fairen Wert erreichen wird. Wichtig ist, dass ich glaube, dass dies in nicht allzuferner Zukunft (< 3 Jahre) passieren wird. Bei mir ging es konkret darum, ein langsam wachsendes Unternehmen (Nestle) gegen ein schnell wachsendes Unternehmen (Tencent) auszutauschen. Wie lange wird es dauern, bis Nestle den Umsatz verdoppelt? Ohne Zukäufe oder Hyperinflation bin ich bis dahin in Rente.

2. Zu den Nifty-Fiftys kann ich nicht viel sagen. Musste googeln, was man darunter zu verstehen hat. Das diskutieren wir anderweitig aus, schlage ich vor.

CU!

Kommentar von Gustav Sucher |

Hallo, da gibt es ein schönes Bild von einem Fischschwarm, das es ganz gut beschreibt. Wenn man bei einer Fütterung mitten in einem Fischschwarm ist, dann bekommt man nahezu nichts ab, da die Gelegenheit etwas zu bekommen niedrig ist. Danke für die tolle Erklärung!

Antwort von Torsten

Gern geschehen. Danke für deinen Kommentar und den schönen Vergleich!