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USA - Land der begrenzten Dividendensteigerung
Preisfrage: Was haben Procter & Gamble, Coca-Cola, Exxon Mobil, General Electric, Philip Morris und andere US-Dividendenaristokraten gemein?
Antwort: Sie schütten einen so hohen Anteil vom Gewinn als Dividende aus wie noch nie.
Zunächst fiel mir das hohe Payout-Ratio im eigenen Depot auf, da ich einen mikroskopisch winzigen Anteil an einigen der obigen Werte besitze. Und während ich weitere US-Werte in den Wachstumsfinder aufnahm, festigte sich der Verdacht, dass das Payout-Ratio in den USA mittlerweile historische Höchststände erreicht hat, was natürlich schlecht wäre, da Dividenden nicht auf Dauer schneller steigen können als der Gewinn.
Auf Morningstar wurde dazu vor kurzem ein passender Artikel mit der Überschrift "Is the Golden Era of Dividend Growth Over" veröffentlicht. Überzeugend wirkte der Artikel auf mich aber nicht, was auch an Taschenspielertricks des Autors lag, der die Zahlen so hingebogen hat, dass sie passen. Man kann die Dividendensteigerungsrate natürlich prima erhöhen, indem man sie vom niedrigsten Punkt aus beginnen lässt. Also von 2003, als die Wirtschaft nach dem Platzen der New Economy Blase auf dem Tiefpunkt angelangt war. Selbstverständlich wird das mit keinem Wort erwähnt, sondern 2003 als Startwert begründet, weil Microsoft damals die erste Dividende zahlte - aha. Und natürlich ist das Ganze einzig auf die USA fixiert, so wie es von einem Artikel aus den USA zu erwarten ist.
Aber man hat ja seine eigene Datenbank auf der man Analysen fahren kann.
Folgende Fragen habe ich versucht zu beantworten:
- Ist das durchschnittliche Payout-Ratio in den USA innerhalb der letzten zehn Jahre tatsächlich stark gestiegen?
- Und wie sieht es im Vergleich dazu in Deutschland aus?
Die Datengrundlage für die USA bilden 154 Unternehmen für die durchgehende Daten zum Payout-Ratio der letzten 10 Jahre verfügbar sind mit einer aktuellen Marktkapitalisierung von knapp 8,8 Billionen US-Dollar. Für Deutschland konnte ich auf 41 Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von rund 855 Milliarden Euro zurück greifen. In beiden Ländern sind die "Big Player" dabei, so dass ich einfach mal behaupte, dass die Ergebnisse repräsentativ sind.
Bevor es los geht als letzte Erläuterung noch, dass jedes Unternehmen anhand seiner Marktkapitalisierung gewichtet in die Auswertungen einging. So beeinflusste z.B. Microsoft die Ergebnisse stärker als ein kleineres Unternehmen wie Darden Restaurants.
Analyse und Interpretation
Bis 2014 liegt das Payout-Ratio in den USA relativ konstant in einer Spanne zwischen 4 und 8 Prozent unter dem in Deutschland. Ausnahme ist der Zeitraum während der Finanzkrise 2008 und 2009. Für mich überraschend war der sprunghafte Anstieg des Payout-Ratios in Deutschland. Ursache war, dass die Gewinne deutscher Unternehmen stärker einbrachen als die der Unternehmen in den USA:
Überraschend ist der Einbruch deutscher Gewinne deshalb, weil meiner Erinnerung nach Deutschland weniger von der Finanzkrise betroffen war als die USA, von wo aus sie auch ihren Ursprung nahm. Ich vermute, dass die Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft und der starke Euro zu jener Zeit für diesen starken Einbruch eine Rolle spielten, während der damals schwache Dollar den amerikanischen Unternehmen zu Hilfe kam. Ich kann mich noch gut an die TV-Reportagen über Busladungen Deutscher erinnern, die durch Florida tourten, um billig eine Zweitimmobilie zu erwerben, weil Dollar und Häuserpreise im Keller waren. Und ich saß damals im Kino und lauschte dem Bösewicht aus James Bond, der die Erpressungsgelder ausdrücklich in Euro anstatt in Dollar einforderte.
Interessant weiter, das die Finanzkrise die deutschen Unternehmen für Jahre hinter die Unternehmen aus den USA zurück wirft. Erst 2014 holen die deutschen Unternehmen wieder auf. Und dass nur deshalb, weil in den USA ab diesem Zeitraum die Gewinne rückläufig sind, was zu einem sprunghaften Anstieg des Payout-Ratios führt, der plötzlich deutlich über dem in Deutschland liegt.
Im nächsten Chart wird ersichtlich, dass die Dividenden in den USA innerhalb der letzten Jahre stärker gestiegen sind als in Deutschland:
Den Gewinneinbruch in den USA erkläre ich mir zu einem guten Teil mit dem Wiedererstarken des Dollar ab 2015:
Und tatsächlich: wenn man sich die Geschäftsberichte 2015 von General Electric, Philip Morris und anderen anschaut, so wird der starke Dollar stets für die ungünstige Geschäftsentwicklung mit angeführt.
Aus General Electric Income Statement 2015. Eigentlich ja +11% verdient, aber wegen dem starken Dollar dann halt doch -2% :
Aus Phillip Morris Income Statement 2015. Eigentlich ja +6,6%, aber u.a. wegen dem starken Dollar dann halt doch -12,4% :
Konsequenzen für den Anleger
Und was heißt dies nun für Anleger wie uns?
Da die meisten Wachstumswerte in den USA beheimatet sind, kommt man in einem gut diversifizierten Depot um einen gewissen Anteil amerikanischer Aktien kaum vorbei. Doch solange der Dollar weiterhin stark bleibt oder sogar noch weiter an Wert gewinnt, scheinen die steigende Gewinne der letzten Jahre auf breiter Front in den USA fraglich. Erschwerend kommt hinzu, dass das Payout-Ratio in den USA bereits stark angestiegen ist, so dass die Dividenden ohne steigende Gewinne kaum weiter erhöht werden können.
Eine Alternative besteht darin, auf US-Unternehmen auszuweichen, die stärker im Binnenmarkt verankert sind. Hierzu zählen beispielsweise Altria oder regionale Versorger, von denen bereits mehrere im Wachstumsfinder verfügbar sind.
Altria ab 2008 - nach der Abspaltung von Philip Morris (ein hohes Payout-Ratio ist für Tabakkonzerne normal):
American States Water. Ein regional tätiger Versorger aus der zweiten Reihe:
Natürlich kann man auch - wenigstens teilweise - auf Nicht-US-Werte ausweichen. Dies wird allerdings dadurch erschwert, dass auch Unternehmen aus anderen Ländern wie der Schweiz oder Schweden mit einer starken Heimatwährung zu kämpfen haben. Eine gute Idee ist auf jeden Fall, sich auch deutsche Unternehmen anzuschauen. Im Wachstumsfinder haben mehrere deutsche Werte die Prädikate "Dividendenbunker" und "Dividendensprinter" verdient. Andere sind nur knapp an den Auszeichnungen vorbei geschrammt und ebenfalls einen Blick wert.
Also bei der Aktienauswahl stets die Entwicklung von Gewinn und Pay-Out-Ratio im Auge zu behalten. Das Tool, mit dem Sie das können, kennen sie ja bereits. ;)
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Kommentar von Alexander |
Sehr interessanter Beitrag und viel Recherche. Danke dafür.
Ähnliche Gedanken hatte ich mir auch schon gemacht, aber nie ganz zu Ende gedacht, also habe ich viel Arbeit gespart. Dafür auch noch mal Danke :)
Ich denke auch, dass die Dividendensteigerungsrate sinken wird. Wir haben praktisch kaum noch Inflation, d. h., die Unternehmen erhöhen kaum noch die Preise. Folglich wächst der Gewinn durch Preiserhöhungen kaum noch. Ein Teil der Dividendensteigerungen wurde durch den Kaufkraftverlust egalisiert. Da wäre mal eine Untersuchung interessant, wie die reale Steigerung der Dividenden ausfällt, also "netto" sozusagen. Reale Dividendensteigerungen (also auch Gewinne) können nur durch Hinzugewinnung von Marktanteilen und neue Geschäftsfelder bzw. Wachstum bestehender Geschäftsfelder erfolgen. Das bereinigte Wachstum dürfte sich jedenfalls bei den alten Unternehmen verlangsamen.
Antwort von Torsten
Hallo Alexander,
danke für den lobenden Kommentar. Ja, da war schon etwas Arbeit - auch technischer Natur - notwendig. Aber ich fand die Antworten auf die Fragen interessant und habe nirgends eine zufrieden stellende Antwort gefunden. Jetzt weiß ich immerhin, dass ich die Arbeit nicht allein für mich gemacht habe, sondern auch für dich.
Ob die niedrige Inflationsrate in den westlichen Industrieländern eine ähnlich starke Rolle wie der starke Dollar spielt? Da habe ich Zweifel. So ist die Inflationsrate auch wegen billigen Benzins niedrig, was aber überhaupt keinen Einfluss darauf hat, ob Unilever oder Philip Morris Preiserhöhungen durchsetzen können oder nicht. Bin da aber kein Experte und habe dazu in meiner Datenbank leider auch keine Daten, mit denen ich eine Antwort finden könnte ;)
Gruß,
Torsten
Kommentar von Karl Napf |
Ein Vergleich zwischen Dividenden- bzw. EPS-Wachstumsraten in Euro (für Deutschland) und in Dollar (für die USA) kann zu keinem sinnvollen Ergebnis führen.
Wieso wurden die Daten nicht vor dem Vergleich währungsnormalisiert? (In welche der beiden Richtungen, das ist für den Vergleich egal.)
Antwort von Torsten
Hallo Karl,
schön, dass sich zu dem Beitrag noch jemand meldet. Hatte ich nicht gedacht. Nun aber zu deiner Kritik: Zwei Bauern bestellen für einen Pächter Land. Der Pächter bekommt dafür einen festen Anteil am Ertrag. Von Ernte zu Ernte bekommt er mehr. Der Pächter weiß, dass dies nur so lange geht, wie die Bauern ihren Ertrag steigern. Um zu beurteilen, wie lange ein jeder Bauer das kann, setzt der Pächter die Entwicklung von Gesamternte zu Abgabe über die Ernten ins Verhältnis - und zwar für jeden Bauern getrennt. Dass Bauer Karl Rüben anpflanzt, Bauer Anton aber Kartoffeln, ist für die Aussage, wie lange von jedem Bauern mit höherer Abgabe zu rechnen ist, irrelevant. Relevant würde dies, wenn der Pächter entscheiden wollte, ob er dem Rübenbauern oder dem Kartoffelbauern das Land verpachten soll - in unsere Sprache übersetzt: welche Aktie er kaufen soll. Und genau darum geht es in der Analyse nicht.
Gruß,
Torsten