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Von Aktienrankings in Excel & Co
Wer sich Internet mit dem Thema Aktien befasst, stößt früher oder später auf Excel- oder Googlesheets-Tabellen, in denen Aktienrankings ermittelt werden. Meist befassen sich mehrere Benutzer mit der Datenerfassung und Analyse der dort enthaltenen Aktien, auch wenn im Regelfall einer als Spreadsheet-Owner das Zepter auf hat.
Soweit ich beurteilen kann, fließt in diese Listen sehr viel Aufwand. Aufwand an fachlichen Überlegungen bezüglich aussagekräftiger Kennzahlen sowie deren Vermengung, um zu einem ebenfalls aussagekräftigen Ranking zu kommen; Aufwand an technischer Umsetzung im Spreadsheet selbst und schließlich Aufwand, um die Daten aktuell zu halten.
Wie sich vermuten lässt, stehe ich diesen Listen kritisch gegenüber. In der Softwareentwicklung gibt es folgenden Spruch: „If you've only got a hammer everything looks like a nail”. Dies beschreibt die Situation ganz gut. Aktienenthusiasten arbeiten sich immer tiefer in Excel & Co ein, bis sie sich schließlich darin verlieren, bzw. unter sich mit Gleichgesinnten, auf einer Insel der Seeligen, verloren sind. Als Außenstehender tut man sich solche Listen besser nicht an. Warum?
Eine universale Spreadsheet Mängelliste
Benutzerfreundlichkeit
Dadurch, dass sowohl die Datenhaltung als auch die Auswertung am selben Platz erfolgt (dem Spreadsheet mit seinen x-Tabelleblättern), wirkt das Ganze auf den ersten Blick unübersichtlich. Ist die eigentliche Auswertung gefunden, so hat man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die sortierte Rankingliste inklusive mehr oder weniger bunt gefärbter Zellen vor sich. Grafiken – soweit ich gesehen habe - gibt es entweder gar nicht oder diese befinden sich wieder in einem anderen Sheet, so dass man zwischen den Tabellenblättern springen muss. Für Basisfunktionalitäten, wie Sortierung oder Filterung, sind bereits Grundkenntnisse in der Bedienung des jeweiligen Tabellenprogramms erforderlich. Je nachdem, wie das Spreadheet aufgebaut ist, kann es sein, dass eine Sortierung die Datenintegrität zerstört.
Intransparanz
Will man nun wissen, wie sich das Ranking errechnet, so wird man mit einer Handvoll oder mehr unterschiedlicher Kennzahlen in diversen Spalten konfrontiert, die mit individueller Gewichtung in das Ranking einfließen. Die Versuchung liegt nahe, die Berechnung für die ein oder andere Kennzahl nachzuvollziehen. Das setzt nun erweiterte Kenntnisse des jeweiligen Spreadsheet-Formats voraus, da es Formeln nachzuvollziehen gilt, die in Tabellenblättern verteilte Daten referenzieren.
Fehlende Daten
Da wir uns in einem Spreadsheet befinden, steigt die technische Komplexität mit wachsender Anzahl der Daten weniger linear, denn exponentiell an. Um das Gewünschte dennoch zu bewerkstelligen, wird dann vereinfacht, was auf Kosten der Korrektheit geht. So werden beispielsweise Durchschnitte von Kurs-Gewinn oder Kurs-Buchwert-Verhältnissen über x Jahre gebildet - mit jeweils exakt einem Kurs stellvertretend für das ganze Jahr. Da der durchschnittliche Jahreskurs ein ganz anderer Kurs als ein Einzelkurs ist, ist das Ergebnis, welches in das Ranking eingeht, verfälscht. Aber es geht eben nicht anders, denn pro Aktie mit rund 2.600 Einzelkursen über 10 Jahre (und jeden Tag kommt ein neuer Kurs hinzu) ist auch der Excelfuchs überfordert.
Veraltete Daten
Hinzu kommt, dass die Daten im Spreadsheet manuell aktuell gehalten werden müssen. Theoretisch wäre eine Vollautomatisierung denkbar, aber ich habe noch keine gesehen, was vermutlich daran liegt, das für eine solche Lösung entweder kostenpflichtige AddInns oder ein tieferes technisches Verständnis inklusive Programmierung notwendig wären (und wer über ein solches technisches Verständnis verfügt, der wird hoffentlich kein Spreadsheet für die Datenhaltung wählen). Bleibt also maximal eine Teilautomatisierung von Daten, die über eingebaute Formeln einfach zu erhalten sind, wie beispielsweise Endkurse. Alles andere, Dividendenzahlungen, etc., muss händisch eingepflegt werden. Wer nun also das Spreadsheet öffnet, muss damit rechnen, dass die Daten veraltet sind. Hilfreich dann wenigstens, wenn vermerkt wird, wann die letzte Aktualisierung statt gefunden hat. Obwohl man dann noch immer keine Sicherheit hat, ob alle Daten oder nur ein Teil aktualisiert wurden.
Niedrige Abdeckung
Der hohe manuelle Pflegeaufwand ist dann auch ein Grund für die beschränkte Anzahl an Aktien, die in einer solchen Liste enthalten sind. Nun hat wohl niemand den Anspruch, alle Aktien der Welt in einer wunderbar leserlichen Liste zu erhalten. Doch zwei-, dreihundert Unternehmen dürften es schon sein. An eine derart umfassende Rankingliste kann ich mich aber nicht erinnern, sondern nur an Listen, die maximal einige Dutzend Werte umfassten. Zu wenig für eine breite Auswahl.
Willkür
Oder neutraler ausgedrückt: Ermessensentscheidung bei den Rankings. Doch wie auch immer. Jemand Drittes, der ein Ranking-Spreadsheet öffnet, ist gut beraten, das Ranking entweder zu ignorieren oder sich in das Spreadsheet einzuarbeiten, um die Gedankengänge der Macher zu verstehen und eventuelle Änderungen vorzunehmen - die nach jeder Datenaktualisierung erneut vollzogen werden müssen. Gerade Anfänger können jedoch der Versuchung unterliegen, den Rankings blind zu vertrauen, ohne deren Logik zu verstehen. Spätestens beim ersten Kursrückschlag setzen dann Panik und Zweifel ein. Dies ist auch der Grund, warum ich auf Rankings komplet verzichte. Die Anleger sollen sich besser selbst mit der Aktienauswahl beschäftigen und dadurch auf ein gewisses Grundvertrauen in ihre Werte aufbauen, damit Sie auf diese Weise psychisch gestärkt den ersten Kursrückschlag überstehen.
Fazit
Ich anerkenne die Arbeit von Leuten, die ihre Spreadsheets pflegen und der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Doch ich schätze deren Nutzen für Außenstehende als gering ein. Nicht jeder hat die Lust und das technische Wissen, sich in das jeweilige Spreadsheet einzuarbeiten.
Doch auch technisch versiertere Lösungen sind nicht automatisch besser, wenn die Daten nicht stimmen. Hier gilt dann ein anderer Entwicklerspruch: „Shit in – shit out“. Ob es dann manueller Spreadheet-Mist oder automatisierter und grafisch aufgepeppter Mist ist, spielt keine Rolle.
Die perfekte Lösung wäre ein Tool, welches benutzerfreundlich, leicht wartbar und mit den richtigen Daten befüllt wäre. Ein solches Projekt, getragen von Enthusiasten ohne Absicht auf Gewinnerzielung, ist mir bisher nicht begegnet. Ein Grund hiefür mag sein, dass die Kluft zwischen dem „Spreadsheet-Analysten“ und dem „Programier- und Datenbank-Freak“ zu groß ist. So schlug mir in einem „Spreadsheet-Forum“ dann auch Geringschätzung in Form herablassender Kommentare für die technische Umsetzung des Wachstumsfinders entgegen. Und so bleibt wohl alles, wie es ist.
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Kommentar von Shamba |
Hallo Torsten,
ärgere Dich nicht über Spreadsheet-Analysten, denn Du kannst Dir sicher sein,
dass der Wachstumsfinder, nicht nur für mich, eine ständige Quelle für viele wichtige Informationen ist. Die Übersichtlichkeit, trotz der vielen Daten, ist mit einer seiner großen Stärken. Vielen Dank für diese klasse Arbeit.
Viele Grüße Shamba
Antwort von Torsten
Hallo Shimba,
ich versuche mir auf der einen Seite ein dickes Fell zuzulegen und auf der anderen Seite aber auch nicht automatisch dicht zu machen, wenn negative Kritik kommt. Wir wissen ja: Nichts ist perfekt - von einigen Spreadsheets abgesehen ;)
Gruß und danke für die netten Worte,
Torsten
Kommentar von Markus |
Je mehr Stocks/Funktionen im Wachstumsfinder sind, desto mehr freue ich mich nicht mehr länger meine eigene (ultimative*gg*) Excel (zeitintensiv) pflegen zu müssen.
Antwort von Torsten
Hallo Markus,
Selbstironie ist ein Zeichen wahrer Größe! :)
Da bin ich nun ja in der Pflicht, wenn du dein Excelsheet zu Gunsten des Wachstumsfinders eingestellt hast.
Gruß,
Torsten
Kommentar von Alexander |
Hallo Torsten,
die Kunst liegt eben darin, kompliziertes einfach darzustellen. Wenn dann ein paar Freaks abschätzig ihre Meinung äußern, dann kann dir das am A.. vorbeigehen. Die Frage ist einfach, wem bietet sich dadurch ein Mehrwert? Bei deinem Wachstumsfinder ganz klar die Masse und Spreadsheet-Laien.
Ich mache meine Excel-Tabellen auch möglichst einfach, damit sie nachvollziehbar bleiben (auch für mich). Also klasse Arbeit! Daumen hoch.
VG Alexander
Antwort von Torsten
Hallo Alexander,
sehe ich genauso. Nur würde ich nicht abschätzig von den Kollegen sprechen, die ähnliche Arbeit in Spreadsheets machen. Da sind auch wirklich gute Überlegungen dabei. Nur sind diese leider manuell, dh. extrem arbeitsintensiv, deshalb auch immer nur für ausgewählte Werte verfügbar und nicht automatisierbar, so dass es schwer ist, etwas davon in den Wachstumsfinder zu integrieren.
Bis zum nächsten Mal und Gruß!
Torsten
Kommentar von Alexxx |
Hier mal die Antwort...bzw, worum es überhaupt geht:
http://www.community.hamsterrad-system.de/index.php?thread/116-wachstumsfinder/&pageNo=2#post734
Antwort von Torsten
Ja, das war der Anlass für den Artikel. Vielleicht ganz gut, dass du den Link gepostet hat. So mag sich jeder sein eigenes Urteil bilden.
Gruß!